„Für unsere aufwändigen Musical-Produktionen sind wir bekannt“, erklärt Spielleiter Marc Gruppe. Und das glauben wir sofort: Rodgers & Hammersteins CINDERELLA bei der Volksbühne Bergisch Neukirchen beeindruckt zunächst einmal durch die Opulenz der Ausstattung. Das ganze Ensemble von den Hauptrollen bis zu den Choristen ist in prachtvolle Kostüme gekleidet, liebevoll en détail gearbeitet bis zu den schrillbunten Rüschen und wippenden Hutfedern der bösen Stiefschwestern. Wenn die Gute Fee ihr Cape ablegt, enthüllt sie ein violettes Chiffonkleid, besternt mit hunderten leuchtender Lichtpunkte. Und Cinderellas Verwandlung, bei der ganz wie am Broadway und fast wie durch Zauberhand in nur einer Körperdrehung der ärmliche Hausrock zu einem luftig himmelblauen Ballkleid wird, erntet spontanen Publikumsbeifall. Auch die Kulissen verblüffen mit einer funkelnden Galakutsche, einem großen Schlossprospekt, und sie wechseln im Handumdrehen vom Dorfplatz ins samtrot tapezierte Haus von Cinderellas Familie.
So essentiell solche Schauwerte für ein Märchenstück sind – viel wichtiger ist die Qualität der musikalischen Darbietung. Für Liebhaber des klassischen Broadwaysounds ist es natürlich ein Hochgenuss, dass ein gut besetztes Orchester im Graben sitzt (und einen solchen hat die Festhalle Leverkusen-Opladen tatsächlich zu bieten) und die originale Partitur musiziert. Die Instrumentalisten unter der Leitung von Han Gyul Song machen ihre Sache ausgezeichnet, von den ersten Takten der Ouvertüre an klingt es ausgewogen und süffig, hat Charme und Swing. Aus Kostengründen hat man nur Cinderella, Prinz und Fee mit Mikroports ausstatten können, aber auch die anderen Gesangssolistinnen und -solisten sind meist gut verständlich, und die akustische Balance zwischen elektronisch verstärkten und unverstärkten Stimmen ist gut gelungen. Den Übersetzer des Librettos freut es natürlich besonders, dass das ganze Ensemble dem Text äußerste Sorgfalt angedeihen lässt, deutlich artikuliert und Nuancen stimmlich und gestisch unterstreicht.
Darstellerisch der vielleicht gelungenste Moment: wenn Cinderella und der Prinz einander im nächtlichen Schlossgarten ihre Liebe gestehen – zwei schüchterne junge Leute, ihrer eigenen Gefühle und ihrer Stellung im Leben unsicher, schicksalhaft zueinander hingezogen. Nathalie Lüke und David Naser, letzterer kurzfristig in die Produktion eingestiegen, spielen das sehr berührend, und sie beweisen ansonsten in den Songs, dass sie über genau die richtigen Musicalstimmen verfügen. Polonca Olszak, die bei der Truppe schon andere Hauptrollen in Stücken von Rodgers & Hammerstein verkörperte, ist eine schelmische Fee. Karl-Heinz Leweke als König in Unterhosen und natürlich Cinderellas drei weibliche Stiefverwandte (Mona Weber, Anne-Claire Weber und Anna Feldhoff) werfen sich mit Lust in die komischen Rollen – letzteren gönnt die Regie im Zwischenspiel nach dem Ball auch ein dreifaches heimliches Tête-à-tête mit männlichen Schlossgästen. Und Tanja Ellrich (Königin) und Ralph Maisel (Majordomus) sorgen für den opernhaften Touch des Stücks.
Also Musical-Fans: Auf nach Opladen! Weitere Vorstellungen finden statt jeweils Samstag und Sonntag bis zum 13.11.2016. Informationen, auch zu Tickets: http://www.vbnlev.de/musical.html.
Eine Bilderstrecke zur Produktion gibt es hier: http://www.lokale-informationen.de/rag-lag/docs/1382675?bild=1&back=1382500&overview=1.
Szenenfoto: Torben Moyzio