Resonanz zur Münchner CINDERELLA

Verdienter Applaus: Joseph R. Olefirowicz und Cast nach der CINDERELLA-Aufführung vom 2.11.

Vor vollem Haus fand am 31.10.2018 im Münchner Prinzregententheater die Europa-Premiere von Rodgers’ & Hammersteins CINDERELLA in der Broadway-Fassung statt, als Saison-Eröffnungspremiere zur Feier von 25 Jahren Bayerische Theaterakademie August Everding. Und kein Bisschen leerer waren die Ränge auch zur Folgeaufführung zwei Tage später. Beide Abende endeten mit langem Beifall und stehenden Ovationen. Man kann also schließen, dass diese Neufassung von Stück und Stoff ein Publikum von heute erreicht – nicht nur emotional, sondern auch intellektuell.

Denn um die aus den 1950er Jahren stammenden Songs herum hat 2013 Douglas Carter Beane ein neues Libretto verfasst, das nicht nur viele neue Pointen setzt, sondern der altvertrauten Geschichte einen Dreh gibt, den man erst einmal mitvollziehen muss: Aschenputtel ist nicht mehr nur Dulderin, sondern nimmt ihr Leben beherzt selbst in die Hand und ergreift auch in sozialen Belangen Partei. Eine der bösen Stiefschwestern entpuppt sich als Komplizin, und das elterliche Königspaar wurde kurzerhand ins Jenseits befördert und durch einen intriganten Reichsverwalter ersetzt.

Die jungen Akteurinnen und Akteure des Münchner Masterjahrgangs, ergänzt um zwei Absolvierte sowie ein Ensemble aus jüngeren Mitstudierende, beweisen allesamt nicht nur den hohen Standard, den die Musical-Ausbildung an der Bayerischen Theaterakademie besitzt, sondern sind mit mitreißender Begeisterung am Werk. „Es macht mitunter fassungslos, was diese jungen Leute können. Dabei sind sie international, Individuen, haben Charakter wie auch der Chor ihrer Studentenkollegen“, konstatiert die Süddeutsche Zeitung und findet ihr „Glück“ ebenso im Graben: Denn da „sitzt das fabelhafte Münchner Rundfunkorchester, das Richard Rodgers Musik zum Erlebnis adelt. So könnte das kein anderes Münchner Orchester, und so könnte das kein anderer Dirigent als Joseph R. Olefirowicz.“

Der Blogger des Internetportals Musicalzentrale führt dazu aus: So wie Orchester und Dirigent sich der Musik annehmen, erscheint es, als wäre dies „die beste Musik, die Richard Rodgers je geschrieben hat. Ein absoluter Traum. Und dann die Studenten der Theaterakademie. Aber sind das wirklich Studenten? Nein, dass sind Vollpofis. Darf man da jemanden besonders herausheben? Tamara Pascual als Ella? Tobias Stemmer als Prinzen? Beide wunderbar. Da stimmt alles (Schauspiel, Gesang und Tanz). Den Vogel schießen allerdings rollenbedingt die Darstellerinnen von Madame (Miriam Neumaier), Gabrielle (Katahrina Wollmann) und Charlotte (Patrizia Unger) ab. Das ist Comedy in Vollendung.“ Bleibt zu ergänzen, das Joanna Lissai und Julian Schier als Alternativbesetzung des Paars Ella-Prinz am zweiten Abend nicht weniger überzeugten.

Einen guten Überblick über die Details von Andreas Gergens überaus einfallsreicher und sorgfältiger Inszenierung, die die komödiantischen ebenso wie die gefühlvollen Aspekte des Werkes ausgewogen und treffsicher zur Geltung bringt, bietet die Besprechung auf KiM – Kultur in München. In der von Stephan Prattes geschaffenen Szenerie – einer bühnenfüllenden Treppe, die der bekannten Szene des Schuhverlustes entlehnt ist und zugleich das gesellschaftliche Oben und Unten sinnvoll abbildet – „werden unter anderem 380 Bierkästen der Hofbräu Brauerei immer wieder so platziert, dass sie mal ein Pferd, mal eine Kuckucksuhr oder auch einen Thron darstellen.“ Die farbenfrohen, zwischen Gegenwart und Historie, Märchen und Comic changierenden Kostüme von Ulli Kremer sind „ein weiteres Puzzlestück, das diese Inszenierung so sehenswert macht“.

So zieht die Internetzeitung tabularasa das Fazit, dass das Kunststück gelang, „die schier unglaublichen Potenzen der Akademie-Studiosi voll auszuschöpfen und eine von A bis Z wirbelige, da und dort ganz schön ‚laute‘, aber tolle, zu heftigem Szenenapplaus hinreißende Atmosphäre von verzauberndem Unterhaltungswert aufzubieten. Für junge und alte Musical-Hasen lohnt der Abend.“

Mein Lieblingsmoment? Vielleicht einer, in dem man gar nichts sieht. Denn ist nicht eben dies höchste Theaterkunst: unsere reine Vorstellungskraft zu beflügeln? Hinter einem weißen Vorhang hört man die Gute Fee mit Bohrer und Säge herumwerkeln. Und wenn der Vorhang fällt, ist Cinderellas Kutsche da! Das ist charmant erfunden – warmherzig im Umgang mit der Figur, so wie es Rodgers und Hammerstein immer auszeichnet: eine Fee, die nicht einfach herumzaubert, sondern („Seufz, dann wollen wir mal…“) selbst Hand anlegen muss. Und eine nonchalante Lösung, einen Kürbis gemäß Regieanweisung in eine Kutsche zu verwandeln. „It’s possible – So kann es sein!“

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Einige Eindrücke vermittelt der neue Trailer zur Produktion:
https://www.youtube.com/watch?v=Uda1WiM64q4